Name:
Thanael Cunningham
- alias Bartholomäus Cohen
"Ich... wurde vor langer, langer Zeit auf den Namen Bartholomäus getauft. Bartholomäus ist ein alter Name, den bereits einer der Jünger Jesu trug. Er war einer der 12 Apostel und ein Märtyrer. Nach diesem ruhmreichen Mann wurde ich benannt. Meine Eltern waren sehr gläubig und Bartholomäus war zudem der Schutzpatron des Dorfs, in welches ich geboren wurde. Laut der Bibel nannte Jesus Christus Bartholomäus "Mann ohne Falschheit" und vielleicht ist dies tatsächlich das einzige, das ich mit meinem Namensvetter gemeinsam habe.
Der hebräische Nachname Cohen gehörte der Stammesfamilie meines Vaters an und ist eigentlich jüdischer Abstammung. Beide Namen habe ich abgelegt, weil sie nicht so Recht in die Gegenwart passen wollen. Bartholomäus wird im Johannesevangelium Nathanael genannt, zumindest kam die Bibelwissenschaft überein, dies als Fakt zu betrachten und nicht von zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten auszugehen. Vor einer Weile ließ ich meinen Namen ändern, zum einen, um nicht mehr unter meinem alten Namen gefunden zu werden und zum Anderen, weil er der Moderne angepasst werden musste. Meinen Eltern war die biblische Figur des Bartholomäus so wichtig und sie waren stolz, mich so genannt zu haben, das ich mich nicht sonderlich weit von ihrem Wunschnamen entfernen wollte. Da Nathanael sich auch in der Moderne noch durchgesetzt hat, übernahm ich ihn als neuen Vornamen.
Inzwischen stelle ich mich meist als Thanael vor, da dieser Name meines Erachtens nach zeitlos ist. Vielleicht werde ich das in der Zukunft anders sehen, aber darüber kann ich mir Gedanken machen, wenn es soweit ist. Cunningham ist ein weit verbreiteter amerikanischer Name, der mir für meine neue Identität gerade recht kam."
Titel:
Parodie
Rasse:
Vampir
Alter:
17 Jahre
"Gebissen wurde ich kaum zwei Monate nach meinem 17. Geburtstag, im Jahre 1096. Allerdings lasse ich inzwischen alle in dem Glauben, dass ich erst vor drei Jahren erstarrt bin, als ich nach New York kam."
Geschlecht:
männlich
"Meine Haare sind mittelbraun und für einen jungen Mann mittellang. Die Frisur ist nicht gerade das Werk eines Starfriseurs, sondern das Ergebnis jahrhundertelanger Beständigkeit. Alte Leute mögen eben keine Veränderung. Ganz davon abgesehen, was sollte ich groß mit meinen Haaren anfangen?
Für einen Menschen bin ich vielleicht durchschnittlich attraktiv, für einen Vampir eher unterdurchschnittlich anschaubar. Ich bin gerade einmal 162 cm groß. Damals war das völlig normal, heute komme ich mir mitunter vor, wie ein kleines Kind. Es sind die Kleinigkeiten, die sich über die Jahrhunderte verändern, die mich wirklich aus der Fassung bringen. Körpergrößen und Körperumfänge, nicht die Erfindung des Mobiltelefons oder des Internets.
Zu meiner Zeit und vor allem in der Schicht, aus der ich stamme, gehörte ein ausgezehrter Leib zum Leben. Meiner Schlankheit kann ich nichts abgewinnen, genauso wenig wie dem modernen Schönheitsideal. Es ist, als würde man sich heut zu Tage über die Armut vergangener Zeiten lustig machen.
Meine Augen sind meist silbergrau, mit leichtem Rotbraunschimmer. Es sei denn, ich habe gerade 'getrunken', dann sind sie rotbräunlich. Dazu kommt es selten. Die normale silbergraue Iris ist mit einem etwas dunkleren und bleibend rotbräunlich gesprenkelten Rand umschlossen. Viel fällt sonst auf den ersten Blick nicht auf. Mein Gesicht ist makellos, zumindest dafür, dass es nichts besonderes ist und auch meine Hände sind frei von jeglichem Fehler. Als Vampir erübrigt sich die Wahl der Kleidung, da sie höchstens den Menschen zu Liebe an die Jahreszeiten angepasst werden muss, damit sich niemand wundert. Für mich gilt allerdings, dass ich niemals mehr Haut zeige. Niemals. Und verständlicherweise führe ich nun nicht extra aus, warum das so ist. Das geht niemanden etwas an."
Besonderheiten: - ziemlich klein und zierlich
- verbirgt seinen Körper unter langer Kleidung
- sieht meistens 'nüchtern' aus
"Vampire. Stolz, stark, schön. Die perfekten Krieger, die absolute Lebensform. Nahezu unbesiegbar, jedem anderen Geschöpf überlegen. Sie sind klug, wenn nicht sogar weise. Sie sind betörend, mitunter bezaubernd und anmutig. Unnahbar, geheimnisvoll und die größten Raubtiere aller Zeiten.
Nichts davon hat je auf mich zugetroffen. Ich bin nicht stolz und kann nicht einmal mit falschem Stolz dienen. Als Kämpfer bin ich miserabel und ich knie vor jedem Geschöpf. Ich bin ein Dummkopf, nur darin legendär. Ich bin weder besonders, noch anmutig. Ich bin lächerlich. Nichts sonst. Von Unnahbarkeit und geheimnisvoller Ausstrahlung nicht die Spur. Wenn ich traurig bin, sehe ich traurig aus, wenn ich wütend bin, sehe ich wütend aus und wenn ich glücklich bin, sehe ich glücklich aus. Ich hab nie gelernt, ein 'Pokerface' aufzusetzen und verfüge über keine Masken, hinter denen ich mich verstecken könnte.
Sie haben mir gesagt, ich sei eine Schande für meine ganze Rasse und meine Existenz wäre eine einzige Parodie. Sie warfen es mir vor, als wäre es meine Schuld, dass ich gebissen wurde, aber sie haben natürlich recht. Ich hätte als Mensch leben und sterben sollen, damit hätte ich nicht eine ganze Art entehrt. All das unterscheidet mich von meinen Artgenossen und ließ mich zum Gespött ganzer Generationen werden. Die eigentliche Tragödie meines Wesens ist aber wohl so etwas wie Teil meiner Persönlichkeit.
Ich hätte zum Jäger und Monster werden sollen, bin aber nichts als ein Lamm geblieben. Freiwild und Kuscheltier.
Zuweilen erschrecke ich mich vor meinem eigenen Schatten und wenn er mich nicht ängstigt, tut es irgendetwas anderes. Ich fürchte mich im Dunkeln, wie ein Kleinkind und noch mehr fürchte ich das Licht. Gewitter machen mir genauso viel Angst wie Sonnenschein und ich werde fast verrückt, wenn jemand wütend oder aggressiv ist. Ich habe Angst vor Ablehnung und vor dem Alleinsein. Ich ertrage Lügen nicht und keine Falschheit, weil ich sie nicht verstehe. Gedanken an die Ewigkeit versetzen mich in Panik, ebenso wie das Lachen von anderen. Ich habe vor Menschen mehr Angst als vor Vampiren und vor Vampiren mehr Angst als vor Werwölfen. Die meiste Zeit hab ich Angst vor mir selbst, nur das ich vor mir selbst nicht davon laufen kann. Schnelle Bewegungen erschrecken mich und böse Worte würden mir einen Herzinfarkt bescheren, wenn ich denn noch ein schlagendes Herz hätte.
Wenn man diese Ängste alle von mir nehmen würde, würde eigentlich nichts mehr übrig bleiben. Nichts außer dem unruhigen, immer nervösen Jungen, der meistens kein Wort herausbringt, ohne zu stottern. Meine Stimme ist zaghaft und leise, so dass mich Menschen selten verstanden haben und sich sogar meinesgleichen manchmal schwer tun.
Ich kann kein Glas in die Hand nehmen, ohne es zu zerbrechen und wenn jemand erfunden hat, das man auf einer Bananenschale ausrutschen kann, dann war das mit Sicherheit ich. Lass ein lautes Geräusch erklingen und ich bin sicher der, der über seine eigenen Füße stolpert und durch die nächst beste Schranktür kracht. Ich bin ein Tollpatsch, aber ich bin auch jemand, dem immer die Dinge passieren, von denen man, wenn man sie hört, nicht einmal glaubt, dass sie wirklich passiert sind. Lass jemanden etwas werfen und der Wind wird sich so drehen, dass ich den Gegenstand ins Gesicht bekomme. Lass einen Vogel über den Himmel fliegen und ich bin der, der den Kot am Ende auf dem Kopf oder auf der Jacke hat. Wenn es ein unzerstörbares Gerät gebe, würde es kaputt gehen, wenn ich es ansehe. Ich bin auch immer der, der hinter einer Tür steht, die genau in dieser Sekunde aufgerissen wird und in meinem Gesicht landet.
Und das war es eigentlich auch schon von mir. Da sind nicht besonders viele Charakterzüge, die mich ausmachen. Ich habe nicht gerade ein Leben gelebt, das mich zu einer unverwechselbaren Person hätte machen können. Nicht im positiven Sinne. Ich habe keine Hobbys und bin mitunter so sehr mit meinen Unzulänglichkeiten beschäftigt, dass ich mich nicht einmal über die wenigen schönen Augenblicke meiner Existenz freuen kann.
Ich bin, sofern ich nicht durch spektakuläres gegen Türen laufen oder über Kieselsteine stolpern auffalle, ein völlig unauffälliger Typ, der gerne übersehen wird. Ich mag es nicht, wenn mir mehrere Personen gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit schenken und schon gar nicht mag ich plötzliche Fragen, auf die ich nicht vorbereitet bin. Eigentlich bin ich am liebsten unsichtbar. Nein, am besten wäre es, ich wäre gar nicht da.
Als Mensch würde ich sagen, es gibt für mich keinen Grund, morgens aufzustehen. Aber da fangen die Probleme schon an, denn schlafen können wir schließlich nicht. Ich kann nicht einfach acht Stunden in meinem Unterbewusstsein verbringen, dass irgendwelche Szenarien für mich formt. Dadurch erscheint mir die Ewigkeit noch unangenehmer. Für mich gibt es also keinen Grund, zu existieren, weshalb ich beschlossen habe, für zwei Menschen zu 'leben', die mir wichtig wurden. Es ist wohl eine Ironie des Schicksals, dass sie nicht mehr menschlich sind. Als Vampir und Werwolf sind sie unumkehrbar zur selben Außergewöhnlichkeit verflucht, wie ich."
Schwächen:
- überängstlich
- tollpatschig
- misstrauisch
Stärken:
- gutherzig
- zu jedem freundlich
- tolerant
Vorlieben:
- klassische Musik
- spazieren gehen
- beobachten
Abneigungen: - sein Vampirdasein
- Gewalt
- jegliche Form von Aggression
Besonderheiten: - Angst vor so ziemlich allem und tollpatschig genug, so ziemlich jedes Unglück heraufzubeschwören
- vermeidet den Konsum von Blut so weit es geht
Vater:
Johann Cohen
Mutter:
Maria Cohen
Menschenjahre:
"Die Zeit in der ich geboren wurde, ist in meiner Erinnerung geprägt von Düsternis. Es war ein dunkles Zeitalter in der Geschichte der Menschheit. Voller Elend und Verlust. Ich war das vierte Kind meiner Eltern und lernte meine älteren Geschwister nie kennen. Sie starben entweder bei der Geburt, oder wenige Monate danach. Das war weder außergewöhnlich, noch tragisch. Es war normal. Jede Familie musste mit diesen Verlusten leben und sie jederzeit erwarten. Nach mir hatte meine Mutter eine Reihe von Fehlgeburten, bis sie schließlich gar nicht mehr schwanger wurde.
Meine Eltern waren strenggläubige Christen, Katholiken, zweifellos. Meine kirchliche Erziehung war ihnen wichtig, denn die Kirche war die einzige Möglichkeit für Bildung. Natürlich konnten wir alle weder Lesen noch Schreiben, aber damals wäre eine solche Fähigkeit auch völlig nutzlos gewesen.
So etwas wie Kindheit gab es im Grunde nicht. Ich lief morgens mit meinen Eltern aufs Feld und kehrte Abends von dort mit ihnen zurück. Ich musste hart arbeiten und alles tun, wozu ich körperlich in der Lage war. So etwas wie Schule gab es für das Volk nicht. Wir waren ohnehin zu sehr damit beschäftigt, nicht zu verhungern, dass niemand in die Schule hätte gehen können. Wir waren ungebildet, manche sogar unfähig, überhaupt irgendwelchen weitläufigeren Gedanken zu folgen. Bauern eben, die nur ein Leben im Dreck hatten und keine Träume, dieser Existenz zu entfliehen. Dazu waren wir zu nüchtern, zu bodenständig. Für Träumer war kein Platz in dieser Zeit.
Mit unserem beschränkten Horizont war das, was die Männer Gottes uns erzählten Wahrheit und Gesetz. Niemand stellte sie in Frage, wodurch die wenige Bildung die wir erhielten nur einseitig blieb. Es spielte keine Rolle. Wir waren nicht zu großen Denkern geboren worden.
Mein Vater schlug mich, wenn ich mich nicht angemessen verhielt und ganz egal, was du mit deiner modernen Erziehung darüber denkst, mein Vater war ein guter Mensch. Ich habe nie auch nur einen Augenblick daran gezweifelt, dass er mich liebt und ich denke, dass können die wenigsten jungen Leute heut zu Tage von sich behaupten, selbst wenn sie nie eine Ohrfeige erhielten. Diese Züchtigungen gehörten zur Erziehung dazu, ganz gleich wie schmerzhaft sie waren, sie lehrten mich, respektvoll mit anderen Menschen umzugehen. Das hatte nichts mit Angst zu tun, wir Kinder lernten damals, Fehlverhalten einzusehen und nicht zu wiederholen.
Eine Familie muss zusammenhalten und war aufeinander angewiesen. Es gab nicht diese große Anzahl verirrter Schafe, die nicht so Recht wusste, wohin mit sich. Ich will damit nicht sagen, dass alles besser war, aber es war auch nicht schlechter. Es war einfach nur anders und für diese Andersartigkeit ist eine gewisse Toleranz nötig, die der modernen Gesellschaft ohnehin an allen Ecken und Enden fehlt. Ein menschliches Problem, wenn man so will, denn an der Intoleranz hat sich über die Jahrhunderte wenig verändert. Zu meiner Zeit wurde alles Andersartige als Hexerei bezeichnet, heute schafft man sich auf andere Weise Randgruppen.
Die Verzweiflung der Menschen damals spiegelte sich nicht in Persönlichkeitsstörungen und Burnout wieder. Solcherlei Schwächen konnte sich niemand erlauben. Wenn eine Frau eine Todgeburt hinter sich hatte, musste sie am nächsten Tag wieder arbeiten, Trauer und Gesundheit hin oder her. Es war notwendig, um nicht zu verhungern. Das hat die Menschen nicht nur hart gemacht, sondern ihnen auch eine Stärke verliehen, die in den Industrieländern kaum einer mehr aufweisen kann. Über die Probleme der heutigen Zeit würde meine Generation nur den Kopf schütteln und sich müde abwenden. Was nicht heißen soll, dass das seelische Leid der Gegenwart geringer ist, es scheint nur so.
Ich weiß, dass alles hat wenig mit meiner eigenen Vergangenheit zu tun, aber es ist durchaus wichtig, um ein Gefühl für die Unterschiedlichkeit zu bekommen. Es ist unsere Jugend, die uns mehr als alles andere im Leben prägt und auch wenn ich nie körperlich alt wurde, blieb diese Zeit in meinem Gedächtnis eingebrannt.
Bis zu meinem 15. Lebensjahr war mein Leben also genauso durchschnittlich wie das von hunderttausend anderen Jungen meines Alters. Das Jahr 1095 brachte viele magische Momente mit sich. Ein Meteoritenschauer zog an der Erde vorbei und wurde als Zeichen Gottes interpretiert. Dazu kamen eine Mondfinsternis, Polarlichter und ein Komet. Ein Mönch benutzte diese Vorkommnisse, um sich als geistiger Führer an die Spitze einer Volksbewegung zu setzen. Laut Geschichtsbüchern sollen bis zu 40000 Menschen aus allen Teilen Mitteleuropas aufgebrochen sein, um nach Jerusalem zu pilgern. So auch meine Eltern und ich. Als Armen- oder Bauernkreuzzug wurde diese Volksbewegung bezeichnet und als Flucht aus dem Elend interpretiert. Es ist nicht schwer Menschen für die Sache Gottes und eine höhere Bestimmung zu begeistern, die keine Aussicht auf einen Ausbruch aus Hunger und Leid haben. Die Muslime hatten über 450 Jahre zuvor Palästina erobert, was nun wieder rückgängig gemacht werden sollte, um den Christen ihr heiliges Land zurück zu geben. Vom politischen Geschehen begriff ich nicht besonders viel und auch sonst enthielt ich mich lieber jeglicher Hetzrede. Es war dennoch ein wahnsinniges Gefühl Teil dieser wandernden Menge zu werden. Als wir von Mainz aufbrachen, waren wir wenige Tausende, bis wir Konstantinopel (die Stadt ist heute als Istanbul bekannt) mit Männern, Frauen, Kindern und Alten erreichten waren wir auf eine stolze Anzahl von 40000 Menschen angewachsen. Der Fußmarsch war zermürbend und brachte viele Probleme mit sich. Die meisten Orte waren mit dieser Vielzahl an Menschen völlig überfordert, so dass wir manche Gegenden einfach nur durchwanderten und dabei plünderten.
Neben uns Bauern hatten sich auch allerlei Gauner angeschlossen, die dem Gesetz entkommen wollten und bei jeder Gelegenheit Unruhe stifteten. Kurz vor meinem 17. Geburtstag erreichten wir Konstantinopel. Ab diesem Zeitpunkt brach das reinste Chaos aus. Jeder feindete sich plötzlich mit jedem an. Einige Deutsche provozierten die Türken in eine Schlacht und wurden von diesen wenig später vernichtend geschlagen während Spione das Gerücht streuten, sie hätten zwei Städte eingenommen. Dadurch wurden die im Hauptlager zurückgebliebenen Kreuzfahrer in einen Hinterhalt gelockt. Eine Gruppe junger Männer, zu denen ich zählte, wurde vom Rest der unausgebildeten, selbsternannten Kämpfer getrennt und verschanzten sich in einer kleinen Burg. Uns wurde das Ultimatum gestellt, uns zu ergeben und zum muslimischen Glauben zu wechseln, oder zu sterben. Es hatte nicht viel mit meiner Gläubigkeit zu tun, dass ich mich mit den Anderen für den Märtyrertod entschied, sondern eher mit der Angst davor, was die Türken mit uns machen würden, wenn sie uns erst einmal versklavt hätten. Als wir uns in unsere aussichtlose Schlacht stürzten, tauchten fünf junge Vampire auf, die das Blutbad nutzen wollten, um sich zu übersättigen.
Ein Schwerthieb streifte meinen Hals und zerfetzte die Hauptschlagader. Ich kniete bereits und war im Begriff zu sterben, als der Vampir seine Zähne in meinen Hals schlug. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Mein Körper war schon ganz taub und noch heute rieche ich das Blut, wenn ich nur an die Szene denke. Neben mir starb einer meiner Kameraden und irgendwie sprang der Vampir von mir fort und ließ mich sterbend zurück. Danach verliert sich meine Erinnerung in Nebel und Schmerz. Ich war sicher, gestorben zu sein und in den Feuern der Hölle gelandet zu sein, mit ihren unerträglichen und ewigen Schmerzen. Meine Venen und Adern standen in Flammen, während ich mich vom Schlachtfeld fortbewegte. Ich war blind, nur hin und wieder glitt mein Blick in die Realität, um einzelne Szenen wahrzunehmen. Ich sah die teuflische Fratze des Vampirs, der mit Blut besudelt über den Leichen thronte. Dann sah ich ein paar Bäume. Meinen Körper und mein eigenes Blut und schließlich nichts mehr. Ich weiß nicht wie lange es dauerte, doch irgendwann hörte mein Herz auf zu schlagen und ich öffnete die Augen."
Jungvampirzeit:
"Um Nahrung brauchte ich mir in der ersten Zeit keine Gedanken zu machen. Überall kämpften Menschen gegeneinander und so folgte ich nur meinen neuen Instinkten, um die Abfälle zu beseitigen. Ich dachte nicht darüber nach, was ich tat und spürte weder Reue noch Trauer, wenn ich die Gefallenen ihres Blut beraubte.
Neben mir gab es etliche andere Vampire, die die noch warmen Leichen, deren Blut nicht einmal geronnen war, oder die verwundeten Kämpfer aussaugten. Ihnen gefiel nicht sonderlich, dass ich als Nahrungskonkurrent aufgekreuzt war. Ein unschöner Kampf brachte mich schließlich wieder zur Besinnung und ließ mich zur Suche nach meinen Eltern aufbrechen. Ich erfuhr, dass mein Vater gefallen war und meine Mutter als Mädchen für alles in einem Wirtshaus herhalten musste. Ich nutzte meine neuen Fähigkeiten, um sie dort heraus zu holen und ihr das Leben zu gewähren, das sie verdiente. Ich machte sie reich und spielte ein paar Jahre ihren braven Sohn.
Mein Leben mitten unter den Menschen gefiel ein paar älteren Vampiren nicht besonders. Schon gar nicht, dass ich meine Mutter nicht verlassen wollte, obwohl auch ihr bereits aufgefallen war, dass ich keinen Tag mehr alterte, seit ich zu ihr zurückgekehrt war. Während ich mir eine frische Leiche suchte, töteten sie meine Mutter. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich kein Urteil über meine neue Existenz gefällt, aber ab diesem Moment lernte ich mich selbst zu verabscheuen. Ich brach auf, um anderswo ein neues Leben anzufangen, doch wohin ich auch ging, sie fanden mich, um mir zu nehmen, was ich liebte. Sie verstanden nicht, warum ich mich lieber selbst geißelte und unter Menschen lebte, statt bei ihnen zu sein. Sie fingen an, mich zu verhöhnen und mich gelegentlich herauszufordern. Die Anzahl derer, die ihren Spaß an diesem Spiel hatten, wuchs mit jedem Monat, bis irgendein Hoher entschied, mich als Diener gefangen zu nehmen."
Vampirjahre:
"Anfangs war ich einfach nur jemand, der es nicht wagen durfte, aufzubegehren. Ich tat meine Arbeit und gelegentlich provozierten andere, dass mir ein Missgeschick passierte. Wieder wurden ihre Späße mit der Zeit schlimmer, bis ich nicht mehr das Gefühl hatte, in irgendeiner Weise als fühlendes Wesen behandelt zu werden.
Meine Dienstzeit endete, als ein anderer Hoher kam, um mich mit sich fortzunehmen. Ich wurde zum Spielzeug seiner kranken Fantasien. Er war es, der mich lehrte, die Ewigkeit zu fürchten und zu verfluchen. Er hat mich kaputt gemacht, über die Jahre.
...und aus Jahren wurden Jahrzehnte und aus Jahrzehnten wurden Jahrhunderte...
Dann wurde er getötet. Er, einer der Hohen, ein Uralter. Es gab genug seiner Anhänger, die mich genauso gerne als Spielzeug behalten hätten, aber mir gelang die Flucht. Mit knapper Not, will ich meinen, aber als ich wieder halbwegs klar denken konnte, war ich frei. Sie suchten und jagten mich, aber ich hatte meine eigenen Mittel, ihnen zu entkommen. Ich verließ Europa und kam in die vereinigten Staaten von Amerika. Es dauerte eine Weile, bis ich das knappe Jahrtausend an Veränderungen aufgeholt hatte. Ich lernte aus den Gesprächen die Menschen miteinander führten, wenn sie an mir vorbei gingen. Ich ließ mir von einem kleinen Mädchen das Lesen beibringen, um der modernen Zeit gewachsen zu sein. Ein 12-jähriger erklärte mir, wie ich mit dem Internet umzugehen hatte. Dann stand mir die Welt offen. Wikipedia erzählte die Geschichte, die ich erlebt hatte, vor 900 Jahren und informierte mich über so viel mehr. Dennoch dauerte es Jahre, bis ich halbwegs begriff, was um mich herum geschah."
Gegenwart:
"Ich gewöhnte mir an, mich wie ein Schatten zwischen den Menschen zu bewegen. Ich wurde unsichtbar, unsichtbar genug, um bei der erstbesten Gelegenheit angefahren zu werden. Irgendetwas Tollpatschiges stellte ich immer an, aber meine Verfolger fanden mich nicht. Manchmal beobachtete ich sie, aber ich wusste, dass sie keine wirkliche Spur hatten.
Nur einer hat je meine Spur aufgenommen und mich von San Francisco bis nach Los Angeles gejagt. Dort habe ich ihn das letzte Mal gesehen, floh aber dennoch weiter, bis nach New York..."